Hürden in der Candidate Journey – Erfahrungsbericht einer HR-Leaderin auf Jobsuche

13. Mai 2024

Wir haben mit einer Head of HR gesprochen, die sich aktuell gerade auf Jobsuche befindet und dies zum Anlass gemacht, sie über Ihre Erfahrungen in den aktuellen Bewerbungsprozessen zu interviewen. Es ist für sie spannend aber auch erschreckend, zu sehen, wie die „andere Seite“ aussieht. Was immer wieder Hürden und Stolpersteine in der Candidate Journey sind und auch was es dringend zu ändern gilt.

Die grundsätzlichen Wünsche von Bewerber:innen sind:

  • Klare Kommunikation
  • Feedback
  • Transparenz
  • Respektvoller Umgang (Würdigung und Wertschätzung)
  • Effizienz

Was am Bewerber:innen Markt jedoch Tatsache ist:

Über das Ziel hinausschießen – Komplizierte Bewerbungsprozesse

Die Bewerbungsprozesse werden teilweise als langwierig und umständlich beschrieben, lange Fragebögen mit bis zu 50 Fragen, Arbeitsproben und Analysen sollen ausgefüllt werden, Case Studies erarbeitet und Business Pläne dargelegt werden. Es wirkt, als ob das Unternehmen bewertet, ob man „gut genug ist“ dort zu arbeiten. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Niemand will heutzutage „bewertet“ werden und es führt zu einem Verlust der Augenhöhe.

Wir empfehlen die Frage „Was soll eingeschätzt werden?“ vorab zu klären. Oft ist die Bewerbung eine Prüfungssituation mit Abfrage und viele interessieren sich nicht wirklich für die Zugänge zu den Themen in der neuen Rolle und dem Know-How des/der Kandidat:in.

Diese Bewerbungsbögen neben einem Vollzeit-Job zu beantworten, erscheint vielen als „too much“ bzw. unmöglich. Oft hören wir als Personalberater auch die Sorge heraus, dass diese Business Pläne oder erarbeiteten Case Studies später für die Eigenvermarktung des Unternehmens herangezogen werden, Ideen „gestohlen“,  Wissen „abgesaugt wird“, aber kein Job vergeben wird. Und auch „Zukunftsmusik“ wie „Wie würde Ihre zukünftige HR-Organisation aussehen“ „Wie viele Head Counts brauchen Sie“ – all das hat nichts mit der fachlichen Erfahrung und den Erwartungen an die Aufgabe zu tun. So eine Ferndiagnose ist unseriös und ohne genaues Kennen des Unternehmens auch nicht beantwortbar.

Garantien für eine Besetzung gibt es keine. Und Unsicherheiten können auch nicht durch überdimensionierte Assessment Center ausgeschalten werden.

  • Klar und transparent sein

 

Keine verlässliche Prozesskommunikation

Oft wird der Bewerbungsprozess nicht ausreichend begleitet. Es kommt vor, daß der:die Recruiter:in sagt: „Ich melde mich in 10 Tagen“. Tut sie dies nicht, kommt beim Gegenüber Verunsicherung auf. Meldet sich der:die Bewerber:in dann selbst aktiv nach 14 Tagen kommt  oftmals die Antwort: „Ich habe noch keine Infos, daher habe ich mich nicht gemeldet“.

So kann keine  verlässliche Prozesskommunikation funktionieren. Seinem Gegenüber kein Zeitfenster geben, heißt maximale Verunsicherung.

Unsere Head of HR hat die Erfahrung gemacht, daß Unternehmen oft wochenlang mit sich beschäftigt selbst. Man sollte in der Prozesskommunikation bleiben, auch wenn man noch keine Ergebnisse hat, um die Kandidat:innenbeziehung nicht zu verlieren.

  • Auf Augenhöhe bleiben

Denn auch Bewerber:innen kommen zu einer Einschätzung. Die Besetzung der Position ist nicht nur eine Unternehmensentscheidung. Auch ein:e Bewerber.in hat Unsicherheiten und Fragen, schenken wir dafür Zeit und Raum.

 

Alles zeigt sich am Anfang

Eine weitere Erfahrung ist, ein Unternehmen wird durch den Recruiter:innen wahrgenommen und repräsentiert. Wenn diese:r schon gestresst zum Interview kommt, wird das nach außen gespiegelt. So passiert ist dies auch unserer HR-Leaderin. Recruiter:innen, die gehetzt vom vorigen Termin kommen, den:die Kandidat:in warten lassen, nicht vorbereitet sind und mit ihren Gedanken, noch in einem anderen Meeting. Ein Wunsch wäre es, wenn Recruiter:innen/Berater:innen noch mehr Sensibilität zeigen, und sich auch überlegen, in welcher Haltung und Energie sie zu dem Termin kommen.

Tipp: Sich fünf Minuten vorher einstimmen, eine Pause davor machen, sich vom vorigen Termin erholen.

  • Die Zeit mit dem/der Kandidat:en verbringen

 

Funkstille und fehlender Austausch

Dies führt zu Unsicherheit und Frustration, da Bewerber:innen Zeit und Mühe investieren, um eine Bewerbung zu erstellen und sich auf die ausgeschriebene Stelle vorzubereiten. Wir empfehlen daher, daß sich Unternehmen eine klare und schnelle Kommunikation aufrechterhalten und regelmäßig über den aktuellen Stand informieren. Denn: 13 Prozent der Bewerbungen bleiben unbeantwortet. (*Studie Best Recruiters 2023/2024)

  • Eigene Prozesse im Unternehmen optimieren

 

Beziehungsgestaltung

Schaffen wir vertrauensstiftende Maßnahmen. Der:die Recruiter:in könnte wertschätzende Rückmeldungen an den:die Kandidat:in geben, denn der Gedanke von Zurückweisung besteht immer. Auch Top-Manager:innen haben in einem Bewerbungsprozess mit Unsicherheiten zu kämpfen. Sich ständig beweisen müssen, rechtfertigen, warum man sein Geld wert ist und Angst vor Zurückweisung macht auch in Führungspositionen nicht halt. „Wer sollte vor was“ kommen. Berater:innen und Recruiter:innen, die „zu spät in den Call kommen“, um dann zu sagen „Wir verkürzen das Kennenlernen und starten gleich mit den Fakten“, sind mit diesem Kaltstart vielleicht effizienter, für eine angenehme Stimmung und Beziehung sorgt dies aber nicht. Das wird als  keine adäquate Form von Beziehungsgestaltung wahrgenommen.

  • Geschwindigkeit herausnehmen und die Präsenz erhöhen

 

Monotone Stellenanzeigen ohne griffigen Inhalt

Stellenanzeigen machen den Eindruck, ob sie alle gleich wären, sie sollten aber informieren und neugierig machen. Wünschenswert wäre es, wenn viele Infos zum potentiellen Arbeitgeber:in enthalten sind, Arbeitszeiten, Home-Office Möglichkeiten Arbeitszeitmodelle und Gehalt genannt werden. 61 Prozent enthalten eine Gehalts-Angabe, aber nur 12 Prozent der österreichischen Stellenanzeigen eine realistische Gehaltsspanne (*Studie Best Recruiters 2023). Was ist denn wirklich der Arbeitsalltag in dieser Position? Auch Storytelling hat noch in wenigen Jobprofilen Einzug gefunden.

 

Feedback nach der Bewerbung

Wichtig wäre es, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, und den:die Kandidat:in zu informieren, wie es gelaufen ist.

  • Eine Minute ist besser als keine Minute.

 

KI nicht ohne den Mensch dahinter

Bewerbungsformulare, Automatisierungen und standardisierte Absagetexte machen alles einfacher, aber denken Sie an persönliche Ansprachen.

Das Unverständnis der Recruiter:innen

Eine provakante Frage hat sich unsere HR-Leaderin nach monatelanger Suche gestellt. Haben Recruiter:innen/Berater:innen  den richtigen Blick, schauen sie genau hin, haben sie den „geschäftstüchtigen“ Blick? Das Verständnis Business voranzutreiben hat vielleicht nicht immer Priorität. Denken Ihre Recruiter:innen in Ihrem Sinne? Im Sinne des Unternehmens? Im Sinne der Zahlen, der nachhaltigen Besetzung?

Wochenlange Verzögerungen bremsen, und nicht nur das Team, sondern auch den Unternehmenserfolg.

Fazit:

Die Candidate Journey gleicht oft einer Achterbahn. Mit vielen Ups and Downs, Aufstehen und „Krönchen richten“. Doch eines können wir aus Sicht des Personalberaters sagen: alles ist „vice versa“. Auch wir wünschen uns mehr Respekt, Transparenz, Feedback und eine positive Beziehungsgestaltung. Keine „ghostenden“ Kandidat:innen, Kandidat:innen die abrupt das Gespräch beenden, die fordernd und ungeduldig sind.

  • Wenn beide Seiten an einer vertrauensstiftenden Beziehung arbeiten, werden die Besetzungen wieder nachhaltiger und erfolgreicher.

 

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